Corona in Ecuador (12. April 2020)

Ich hatte so viele Anfragen bekommen, wie es uns bezüglich „Corona“ in Ecuador geht, dass ich mich dazu entschloss, die Lage ganz allgemein zu schildern.

Tatsächlich geht es uns in Ibarra, im nördlichen Hochland von Ecuador (noch) relativ gut. Leider versagt unser hiesiges Gesundheitssystem komplett, zusätzlich gibt es Korruption, Armut und Idioten – eine Mischung die, wie man in Guayaquil sehen konnte, sehr gefährlich ist.

In der Hafenstadt Guayaquil hatten quasi die Reichen das Virus angebracht: an der Küste begannen am 4. Februar die großen Ferien, welche viele ausnutzten, um nach Spanien, Italien und USA zu fliegen – die beliebtesten Ziele der Ecuadorianer, weil dort auch viele Familienmitglieder wohnen. Sie kamen aus diesen Ländern nach Hause, als der Präsident die Schließung der Grenzen am 16. Februar und ein Ausgehverbot anordnete. Doch diejenigen, die nun sehr darunter leiden müssen, sind die Armen. Die große Menge lebt von dem, was sie täglich verdienen können, sei es als Tagelöhner (Maurer, Erntehelfer, etc.) oder durch Verkauf von Utensilien oder Essen auf der Straße. Es gibt keine Ersparnisse, wenn man nicht arbeitet, gibt es kein Geld, ohne Geld kein Essen. Das „Ausgangsverbot“ wird von vielen nicht eingehalten, weil sie auf der Suche nach einer Verdienstmöglichkeit sind. In Guayaquil ist die Einwohnerdichte sehr hoch, viele Bewohner leben auf kleinem Raum, was zusätzlich die Ansteckungsrate erhöht. Dann wurden die ersten Patienten in die Krankenhäuser gebracht, die waren schnell überlastet, ohne jegliche Vorbereitung und Schutzmaterial, es kam zu Ansteckung von Ärzten, Krankenpflegern und sonstigem Personal  (ca. 40% aller offiziellen Coronazahlen  fällt auf diese Gruppe), somit kam es zu Personalengpass in den Krankenhäusern.

Dann gab es die ersten Toten; erst hieß es, dass die Coronatoten feuerbestattet werden sollen, wegen der Ansteckungsgefahr. Doch die wenigen Bestattungsinstitute, welche eine Kremation anbieten, waren völlig überlastet. Auch war nicht klar, wie man die vielen Leichen von zu Hause abholen kann / darf, weil das eigentlich ein Gerichtsmediziner machen sollte, doch die kamen auch nicht mehr hinterher. Dann hieß es, dass die Leichen auch Erd-bestattet werden dürfen, doch dann wollten einige Bestattungsinstitute die Toten nicht annehmen, da sie Angst hatten, sich auch anzustecken, zuletzt, weil es keine Särge mehr gab. Weil alle Aktivitäten in Ecuador seit dem 23. März stillgelegt wurden und eine landesweite Quarantäne ausgerufen wurde mit Ausgangsverbot, können auch die Schreiner kein Material für den Bau von Särgen bekommen… Die Toten stapelten sich in den Krankenhäusern und zum Teil auch auf der Straße. Mit Polizeigewalt und Militärüberwachung wurde letztendlich ein wenig Ordnung geschaffen, doch bis dahin war die Situation schrecklich – die Bilder, die um die Welt gingen.

Laut offizieller Zahlen, gibt es in Guayaquil „nur“ 168 Corona-Tote bis zum heutigen Tag, was mit der vorher geschilderten Situation nicht vereinbar ist. Das liegt daran, dass die meisten Infizierten gar nicht erst auf Corona getestet wurden, bzw. in die Statistik geht nur ein, was offiziell auch als Corona positiv gemeldet wurde. Natürlich gibt es auch viele, welche nicht an Corona starben, aber aufgrund der Notsituation nicht rechtzeitig behandelt werden konnten oder ins Krankenhaus gebracht werden konnten, etc. Nach wie vor steigt die Zahl jeden Tag der neu Infizierten inmens an, vor allem in Guayaquil, aber auch nach und nach dehnt sich die Ansteckung auf alle anderen Provinzen aus, was bei einer weltweiten Pandemie auch normal ist (so die Experten).

Nach offiziellen Daten haben wir in Ibarra erst rund 33 Sars-Cov2 Positive, allerdings ist die Dunkelziffer wesentlich höher. Weil mein Mann Christian (Arzt) jede Menge Patienten mit Symptomen behandelt ist uns klar, dass das mit der Statistik im Land nicht funktioniert und auch nicht funktionieren wird. Eigentlich soll es inzwischen Tests geben, welche von der Regierung importiert wurden, doch an die große Masse wurden diese nicht weitergegeben. Ich vermute, dass die Tests die Politiker für sich und ihre Familien verwenden, nicht aber für das einfache Volk. Als große Meldung kam vor 3 Wochen, dass nun wöchentlich 400 Tests durchgeführt werden, während es in Deutschland 200.000 pro Woche waren… Morgen, 13. April, soll in Guayaquil eine neue Laboreinrichtung gestartet werden, mit der pro Tag 1.000 Tests durchgeführt werden sollen. Christian, mein Mann, diagnostizierte bei vielen Patienten inzwischen Coronavirus und schickte sie zum Gesundheitsamt, damit sie dort den Test durchführen. Dort wurden sie jedoch abgewiesen mit der Begründung, dass es sich nur um eine Rachenentzündung oder eine normale Grippe handle…

Wenn man nun also Verdacht hat, sich angesteckt zu haben und einen Test machen lassen möchte, muss man stolze $ 120,00 an ein privates Labor hinblättern. Ist der Test dann tatsächlich positiv, muss man sich in häusliche Quarantäne begeben (ein Polizist soll prüfen, dass man diese auch einhält, wenn man die Quarantäne nicht einhält, droht Gefängnis). Um dann nach überstandener Krankheit wieder aus dem Haus zu dürfen, muss man wieder zwei Tests in einem gewissen Abstand machen lassen, in welchem man „negativ“ ist (läuft glaube ich in Deutschland gleich ab), also nochmals $ 240, insgesamt $ 360 pro Person für die Tests – ein Monatslohn beträgt derzeit US$ 400,00…. Man kann sich vorstellen, dass die wenigsten diese Kosten tragen können, zumal auch die wirtschaftliche Zukunft im Unklaren ist.

In der Provinz Carchi, in welcher sich der Kindergarten befindet und die Patenkinder leben, gibt es zum heutigen Stand 24 Corona Infizierte. Das Leben dort hat sich auch geändert, nur sehr wenige trauen sich noch auf die Straße bzw. werden auch zum Arbeiten auf das Feld mitgenommen, auch wenn nun gerade die Landwirtschaft die Bewohner der Städte mit Lebensmittel versorgt. Viele Familien leben vom Verkauf auf dem Markt oder irgendwelcher Dinge auf der Straße – alles Aktivitäten, welche derzeit verboten sind.

Letzte Woche haben wir die Ausgabe von Grundnahrungsmitteln an die Patenkinder organisiert und diese Woche werden wir dies auch auf die Kindergartenkinder erweitern. Die jeweiligen Eltern- oder Großelternteile können dann direkt in einem Laden zu verschiedenen Zeiten die Lebensmittel in Empfang nehmen. Wir hoffen, damit zumindest ein bisschen helfen zu können. Zum Glück ist die Bevölkerung in San Gabriel sehr solidarisch und unter Nachbarn hilft man sich aus.

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